Tourtagebuch: 3. Tag - Mi., 28.05.2008

Um 7.45 Uhr starte ich den dritten Tag. Zähneputzen und dann rein in die nicht getrockneten Klamotten! Meine Socken waren auch noch klamm. Diese hängte ich über die Hörnchen am Lenker, diese sollten als eine Art Wäscheleinenersatz fungieren. Aber erstmal dem Pastor tschüss gesagt und gedankt, dann führte mich meine Route über das abschließende Mittelgebirge über Maroldsweisach, Rentweinsdorf. Bereits um 8.30 Uhr passierte ich die Grenze zum Freistaat Bayern. Ich wusste nun, dass ich über die Hälfte geschafft hatte und somit sehr gut im Zeitplan läge. Zur sowieso hohen Motivation mischte sich jetzt Euphorie dazu! Dieses früh am Morgen und nach einer geräderten Nacht - für mich etwas Neues. Die Socken waren übrigens am Vormittag durch den Fahrtwind am Hörnchen und die Sonne von oben wieder trocken, ich konnte sie wieder anziehen. Mitterweile hatte auch den idealen Ess-Trink-Pause-Rhythmus gefunden. Der Körper dankte es mit einer unglaublichen Leistungsbereitschaft, die ich bis dato auch nicht kannte.

Erste Schilder kündigten bereits eine bayrische Stadt an: die Universitätsstadt Bamberg. Ab dort spürte ich auch einen Wetterumschwung. Das bis dahin warme aber milde Wetter wurde schwülwarm bis sehr heiß. Das war aber egal, denn meine Klamotten waren eh schon durchgeschwitzt und - sagen wir mal - "etwas siffig". Es folgte auch bald der schönste Teil der gesamten Radroute. Der Radwanderweg direkt am Main-Donau-Kanal. Viele Kilometer ging es am Kanal entlang. Keine Autos, keine Ampeln, keine Steigungen. Einfach fahren und die Natur genießen. Und zwischendurch immer wieder viel Wasser in mich hineinschütten, dass ist ganz wichtig, damit der Stoffwechsel im Fluss bleibt. Meine Wasserflasche war von der vielen Benutztung mittlerweile auch sehr gezeichnet (siehe Foto). Wie der Herr so sein Geschirr, dachte ich, und schmunzelte.

Die Sonne hatte mich gebraten und ich bekam einen Sonnenbrand an den Waden. Scheint die Sonne in Bayern auch von unten? Ist das - wie viele andere Dinge - in Bayern auch anders?

Auf ersten Schildern kündigte sich Nürnberg an. Meine Laune stieg weiter, Nürnberg ist die letzte große Stadt vor München, kombinierte ich. Dann wäre alles abzusehen! Aber mein Stimmungshoch sollte nicht lange halten. Kurz vor Nürnberg hatte ich einen Crash mit einem Rollerfahrer. An einer unübersichtlichen Kurve, mit leichtem Gefälle, sind wir frontal aufeinandergesteuert. In letzter Sekunde sahe ich den nahenden Zweitakter und griff reflexartig in die Bremse. Allerdings zu stark dosiert, denn das Fahrrad stand sofort und ich überschlug mich! Über den Lenker flog ich nach vorne, Richtung Roller. Mit den Händen landete bzw. "radierte" ich auf dem Asphalt, mein Kopf donnerte in das Vorderrad vom Roller. Es waren Schreckenssekunden. Der Sturzhelm verhinderte vermutlich etwas Schlimmes, denn ich spürte die Aufprallenergie, die sich auf den Kopf verteilte.

Ich lag da auf dem Boden, stand auf und schüttelte mich. Ich spürte keine Schmerzen oder Verletzungen. Ich bewegte mich - alles okay. Meinen Kopf rotierte ich - keine Schmerzen. Mein Trikot und die Hose - kein Kratzer. Und das Fahrrad? Auch nichts passiert, kein Schaden, nichts gebrochen oder sonst irgendwas. Der Rollerfahrer und ich, beide benommen und mit wackeligen Beinen, wir setzten uns auf eine Leitplanke. Er hatte mit dem Schlimmsten gerechnet sagte er. Ich hatte es auch. Ich weiß nicht wer schuld war oder wie die genaue Verkehrsregelung an der Stelle war. Ich weiß aber, dass das Glück ganz weit auf meiner Seite war.

Gegen 18.00 Uhr erreichte ich Nürnberg. Traumhaftes Sommerwetter und bayrisches Flair. Überall Menschen, vollbesetzte Cafés und Cabrios. Ich fuhr auch an einer blauen Pyramide vorbei. Bin ich schon in Ägypten? Ich mache eine Pause um zu Essen, meine Flasche mit Wasser zu füllen und um zu telefonieren. Die Kondition war wieder sehr gut und ich fuhr weiter in den Abend hinein. Meine Tagesettappe endete um 21:30 Uhr in Gredingen. Diese Nacht wollte ich zur Abwechslung ein Hotel ansteuern. Allerdings war es ausgebucht. Ich dachte mir: Also keine Experimente, ab zur nächsten Kirche.

Diese war nebst Pfarramt nur ein paar Meter weiter. Die Haushälterin kam an die Pforte und ich erzählte von meiner Tour. Sie sagte sie wüsste nicht ob sie da was machen könne, da der Pfarrer noch unterwegs sei und sie das nicht entscheiden dürfe. "Aber kemmas erstamoi nei", sagte sie. Wir saßen dann im alten Pfarrgarten, ich erzählte weiter und sie fragte "Mögn Sie erstmoi wos dringa?". Ich bejahte das. Sie brachte selbstgemachten Apfelsaft. Ich erzählte weiter von dem ganzen Vorhaben. Sie fragte "Vielleicht essen Sie erstamoi wos". Dann erzählte ich von dem guten Zweck der Sache und sie fuhr fort: "Vielleicht gehns erstamoi duschn im Pfarramt". Nachdem ich geduscht hatte schlüpfte ich in meine Gute-Nacht-Klamotten (Sporthose und T-Shirt) und ging barfuß durch die alten Gemäuer im Pfarramt. Dann stand plötzlich der Pfarrer vor mir.

Merkwürdige Situation, ihn zu fragen, ob ich hier nächtigen dürfte, da ich bereits mit der Rast angefangen hatte. Er schaute zunächst kritisch. Ich erzählte ihm von der Hamburg-München-Tour und vom guten Zweck der Sache. Er setzte ein Grinsen auf und sagte "kommen Sie erstmal mit hoch in die Küche, da trinken wir ein Bier". Bis um 23.30 Uhr saßen die Haushälterin, der Pfarrer und ich am Küchentisch und jeder erzählte von seinem Lebenswandel. Ich bekam auch viele Antworten vom Pfarrer, auch was ihn dazu bewegt hatte dieser Berufung nachzugehen. Ein fantastischer Abend mit einer respektvollen und offenen Atmosphähre.

Er sagte mir auch, dass München nur noch ca. 130 km entfernt ist. Diese positive Einschätzung ließ mich erst ganz spät einschlafen.


Tourdaten:
Start: 7:45 Uhr in Bibra
Ziel: 21:30 Uhr in Greding
Tagesleistung: 215 km
Gesamtfahrzeit: 13,5 Stunden (inkl. Pausen)
Nettofahrzeit: 11 Stunden
Höchster Berg: 480 m
Durchschnittsgeschwindigkeit: 20,0 km/h
Höchstgeschwindigkeit: 55,4 km/h


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